Ein Gespräch mit Ingeborg Maria Lang, Head of Urban Transformation bei der CIMA Beratung + Management GmbH

Mit ihrer interdisziplinären Expertise in der Immobilien- und Stadtentwicklung unterstützt sie als „Head of Urban Transformation“ Kommunen, öffentliche Institutionen und die Immobilienwirtschaft dabei, zukunftsfähige Städte und Quartiere zu gestalten. Ihr Fokus liegt auf den Themen Nachhaltigkeit, Innovation, Partizipation, Digitalisierung und soziale Vielfalt.
lang@cima.deWas sind Versorgungsquartiere – und warum reden plötzlich alle darüber?
Die steigende Anzahl von Pflegebedürftigen und damit einhergehend steigende Kosten für soziale Leistungen fehlendes Pflegepersonal, Einsamkeit im Alter und fehlende soziale Infrastruktur – viele Kommunen stehen angesichts des demografischen Wandels vor enormen Herausforderungen. Immer häufiger fällt dabei ein Begriff, der als Zukunftsmodell gilt: Versorgungsquartiere. Doch was genau steckt dahinter?
Kurz erklärt: Ein Versorgungsquartier ist ein städtebaulich klar umrissener Sozialraum, in dem Versorgung, Pflege, Wohnen und soziale Teilhabe lokal vernetzt und organisiert werden. Ziel ist es, älteren und pflegebedürftigen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in ihrem vertrauten Umfeld zu ermöglichen – ohne dass sie auf stationäre Pflegeeinrichtungen angewiesen sind und pflegende Angehörige an ihre Belastungsgrenzen bringt.
Warum braucht es neue Lösungen in der Pflege?
Gemeinsame Modellvorhaben nach § 123 SGB XI – Beispiel Nordrhein-Westfalen
Das „Gemeinsame Modellvorhaben für Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen vor Ort und im Quartier § 123 SGB XI“ ist ein aktuelles Beispiel für die innovative Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen. Dafür wird im Zeitraum von 2025 bis 2028 vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen ein Förderbudget von 30 Mio. p. a. nach §123 SGB XI aus dem Ausgleichsfonds bereitgestellt. Dieses Budget ist dafür vorgesehen, regionalspezifische Modellvorhaben zu fördern und zu gestalten, die innovative und nachhaltige Quartierslösungen mit sich bringen. Ziel ist es, solche Quartierslösungen zu entwickeln, die sich dauerhaft selbst finanzieren können. Die Verteilung der Fördermittel erfolgt gemäß dem Königsteiner Schlüssel. Voraussetzung ist eine hälftige Kofinanzierung durch das jeweilige Bundesland und/oder durch die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft für die Sicherstellung der pflegerischen Infrastruktur beziehungsweise für die Daseinsvorsorge zuständige Beteiligte. Insgesamt stehen somit 60 Mio. Euro im Kalenderjahr zur Verfügung. Die förderfähigen Modellvorhaben sind auf eine Laufzeit von vier Jahren beschränkt. Die Evaluation dieses Modellvorhabens erfolgt mittels kommunaler Pilotprojekte. Ziel ist es, den modellhaften Charakter des Vorhabens zu festigen und eine dauerhafte Implementierung zu gewährleisten. Im Zeitraum von 2025 bis 2028 werden Projekte gefördert, die bestehende Regelstrukturen vor Ort ergänzen und sektorenübergreifende Unterstützungsangebote im Quartier etablieren. Im Fokus stehen Modelle, die pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige in ihrem alltäglichen Umfeld stärken, neue Versorgungsformen erproben und bestehende Pflegeangebote koordinieren.
Als erstes Bundeland beteiligt sich Nordrhein-Westfalen an den Modellvorhaben mit bis zu 300.000 Euro jährlich je Projekt. Interessierte Einrichtungen, Träger und Kommunen können bis spätestens 15. Juni 2025 eine Projektskizze mit dem Betreff „Projektskizze 123“ beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW einreichen. Maßgeblich ist das Interessensbekundungsverfahren inklusive der zugehörigen Unterlagen.
Hier unterstützen wir als CIMA Beratung + Management auch bei der Antragstellung sowie bei der Implementierung eines Versorgungsquartiers.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Bundespflegestatistik werden schon heute 86 % der Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause betreut – meist von Angehörigen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Pflegebedürftigen stetig an, während Pflegepersonal, stationäre Einrichtungen und finanzielle Mittel zunehmend unter Druck geraten.
Fragen, die sich Kommunen stellen:
- Wie können wir die Pflege vor Ort sichern, ohne unser Haushaltsbudget zu überlasten?
- Wie lassen sich pflegende Angehörige gezielt entlasten?
- Wie schließen wir Versorgungslücken, bevor sie zur Krise werden?
Antwort: Versorgungsquartiere bieten genau dafür einen systemischen Lösungsansatz – niedrigschwellig, lokal verankert und ökonomisch tragfähig.
Was macht ein Versorgungsquartier so besonders?
Im Unterschied zu klassischen Pflegeinfrastrukturen folgt das Konzept der Versorgungsquartiere einem ganzheitlichen Ansatz. Es geht nicht nur um Betreuung, sondern um die Gestaltung eines lebenswerten Sozialraums – mit Begegnung, Teilhabe und Nahversorgung.
Typische Merkmale eines Versorgungsquartiers:
- Wohnortnahe Pflegeangebote und medizinische Infrastruktur
- Unterstützende Angebote für pflegende Angehörige
- Städtebauliche Integration (barrierefreie Wege, Mobilität, Wohnen im Alter)
- Koordination durch professionelles Quartiersmanagement
- Förderung von Ehrenamt und Nachbarschaftshilfe
Welche Vorteile haben Kommunen?
Versorgungsquartiere entlasten nicht nur das Pflege- und Sozialsystem, sondern sind auch ein starkes Argument in der Stadtentwicklung:
- Kosteneffizienz: Ambulante Strukturen sind günstiger als stationäre Unterbringung
- Attraktivität und Nachhaltigkeit: Gemeinden werden zu aktiven und sozial nachhaltigen Lebensorten für alle Generationen
- Förderchancen: Vielfältige Förderprogramme von Bund und Ländern lassen sich nutzen
- Planungssicherheit: Durch strukturierte Entwicklung und Partnerschaften mit Wohnungswirtschaft & Trägern
Und was sagen Betroffene?
Die zentrale Botschaft aus der Praxis: Niemand möchte ins Heim, wenn es auch anders geht. Versorgungsquartiere geben älteren Menschen eine echte Perspektive auf ein Leben mit Lebensqualität – im eigenen Quartier, sozial integriert und gut versorgt.
Fazit: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu handeln
Die demografische Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten – aber sie ist gestaltbar. Versorgungsquartiere bieten Kommunen und Wohnungsunternehmen ein erprobtes, skalierbares Konzept, um Pflege, Wohnen und Daseinsvorsorge zukunftssicher zu verbinden.
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White Paper Versorgungsquartiere
Pflege- und Versorgungsquartiere als Antwort auf den demografischen Wandel: Chancen und Herausforderungen für eine zukunftsfähige Pflegeinfrastruktur in Deutschland.
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