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Orientierungsrahmen für Politik und Verwaltung

 

Ländliche Kommunen stehen in Deutschland vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Während die einen sich vor Zuzug kaum retten können und Probleme mit der ausreichenden Aktivierung von Bauland haben, schaffen andere nur mit Mühe die Anforderungen der Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten. Häufig sind es die Jungen, die Erwerbstätigen, die in die Stadt ziehen. Und selbst in Kommunen mit annähernd stabilen Bevölkerungszahlen sorgt der demografische Wandel für Anpassungserfordernisse.

Stadtplaner MARTIN HELLRIEGEL, cima, über integrierte Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung.

Entwicklungsperspektiven abwägen

Ob Masterplan oder integrierte Entwicklungsstrategie: Vielfach verbergen sich dahinter vergleichbare Inhalte, die auf Basis planerischer Rahmenbedingungen und einer aktuellen Bestandsaufnahme Ergebnisse einer analytischen Betrachtung zu Handlungsfeldern verdichten. Idealerweise werden konkrete Maßnahmen abgeleitet und in ein Umsetzungskonzept überführt. Die Unterschiedlichkeit der lokalen Bedingungen und Voraussetzungen schließt standardisierte Lösungen weitestgehend aus.

Integrierte Entwicklungskonzepte sind eine wichtige strategische Grundlage zur Identifikation von Zukunftsthemen und Entwicklungsperspektiven. Dabei wird ein Zeithorizont gewählt, der 10 bis 15 Jahre in der Zukunft liegt. Nicht um sämtliche Projekte der kommenden Jahre abzubilden, sondern um bei den strategischen Weichenstellungen rechtzeitig über den Tellerrand hinauszublicken. Denn was nützt die neue interkommunale Mehrzweckhalle, wenn sich demnächst die junge Generation halbiert? Selbst in kleineren Kommunen ist hierbei häufig der schwierige Spagat zwischen dem kommunalen Leitbild, erforderlicher Entwicklungsprozesse und der Bewahrung der wertvollen Identität einzelner Ortsteile zu bewältigen. Hinzukommen überproportional starke Alterskohorten, auf die die örtliche Infrastruktur nicht ausgerichtet ist.

Fördermöglichkeiten ausloten

Mit Blick auf die Operationalisierung münden derartige Konzepte in konkrete räumliche und programmatische Handlungsempfehlungen. Für viele Fragestellungen existieren bundesweit eine ganze Reihe an Vorhaben, die neue Ideen aufgreifen, modellhaften Charakter haben oder dauerhaft übertragbare Lösungen bieten und so einen Beitrag zur Sicherung von Teilhabe und Daseinsvorsorge leisten. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen und Vorhaben wird i. d. R. nach Fördermöglichkeiten gesucht. Diese Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten gehört, bei einer wachsenden Zahl an Richtlinien und Leitfäden sowie dem Erfordernis zur Beteiligung der Zivilgesellschaft, inzwischen zu einer Schlüsselkompetenz vieler Akteure – vor allem in ländlichen Räumen. Durch Förderprogramme der Europäischen Union und des Bundes wie z. B. die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK), dem europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) oder auch die Städtebauförderung (Kleinere Städte und Gemeinden) bestehen attraktive Ansatzpunkte, um Strategien und Projekte im ländlichen Raum  voranzubringen. Dabei ist positiv: Die Fördergeber legen zunehmend mehr Wert auf Ziel- als auf Richtlinienvereinbarkeit. Allerdings befördert die Suche nach geeigneten Förderkulissen auf Seiten der Kommunen eine teilweise sehr stark projektbezogene Planung. Integrierte Entwicklungskonzepte leisten durch ihren ganzheitlichen Ansatz einen Beitrag, dem ganzen dennoch einen planerischen Rahmen zu geben. Dabei sollte neben der Herstellungs- auch immer die Betriebsphase, gerade im Falle von Infrastrukturen,
mitgedacht werden.

Region vernetzen

Der regionale Kontext bzw. eine integrative Regionalentwicklung bieten vielfach die Chance, sektoral oder themenübergreifend Aufgaben zu bewältigen, die isoliert nicht zu lösen sind. Hier geht es z. B. um die Bereitstellung von Wohnbauland im interkommunalen Kontext mit dem zentralen Ort, die Bereitstellung nachfragegerechter Gewerbe- und Schulverbundstandorte oder regionale Pflegekonzepte. Die Vernetzung der einzelnen Leistungspotenziale einer Region schafft attraktive Wirtschaftsräume. Gemeinsame Strategien und Projektumsetzung fördern die regionale Identität und das Selbstbewusstsein. Der interkommunalen Abstimmung und Kooperation kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Im Rahmen solcher Strukturen profitieren die Kooperationspartner vielfach von einer erhöhten Unterstützung seitens der Landes- und Regionalplanung. Gerade derartigen kooperativen Ansätzen werden durch erleichterte Fördermittelzugänge und gelockerten rechtlichen Rahmenbedingungen – zum Glück – einige Experimentierklauseln eingeräumt.

 

Integrierte Entwicklungskonzepte sind eine strategische Grundlage und Entscheidungshilfe zur Identifikation von Zukunftsthemen.

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Autor*in

Martin Hellriegel

cima // Projektleiter, Stadtplaner AKNW

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