Online City Wuppertal vs. Mönchengladbach bei eBay
Local-Commerce-Ansätze gibt es viele. Aber nirgends tritt die Unterschiedlichkeit derart stark hervor wie zwischen den Marktplatz-Lösungen in Wuppertal und in Mönchengladbach. Nun, gut zweieinhalb Jahre nach dem Launch der Plattformen, hat sich die WDR Service-Zeit erneut die Modelle angeschaut und lässt Händler aus beiden Städten zu Wort kommen. Parallel geht das City-Engagement von eBay in den Regelbetrieb.
Die Schwebebahnstadt ließ sich schon sehr früh mit der Online City Wuppertal auf den Infrastrukturgeber atalanda, organisches Wachstum, einen moderierten Change-Management-Prozess mit Schulungskonzept, taggleicher Lieferung und einem „Retail Lab“ ein. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hob das Einzelhandelsförderungsmodell einmal mehr in ihrer Eröffnungsrede zur Abschlussveranstaltung der „Dialogplattform Einzelhandel“ am 6. Juni 2017 hervor.
Die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach machte in Zusammenarbeit mit dem eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein und dem reichweitenstarken Marktplatzbetreiber eBay „Mönchengladbach bei eBay“ zu einem Vorzeigebeispiel einzelhandelsfokussierter digitaler City-Initiativen.
Schulterschluss zwischen HDE und eBay
Insbesondere der Handelsverband Deutschland (HDE) tat sich an vielen Stellen, zuletzt in einer gemeinsamen Veranstaltung mit eBay namens „Lokal & digital“ in Berlin als Unterstützer der City-Initiative des US-Konzerns hervor (siehe „Im Schatten des Brandenburger Tors: Die Soirée von HDE und eBay enttäuscht auf ganzer Linie“).
Das Engagement von eBay in Städten startete in Europa zwar in Italien („eBay adotta L’Aquila“), hierzulande aber gewann es mit den Pilotprojekten in Mönchengladbach und später in der Kleinstadt Diepholz („Diepholz bei eBay“) an Konturen. Nicht zuletzt fand man mit Prof. Dr. Heinemann einen stimmgewaltigen Fürsprecher für das Projekt, das in seinem neusten Fachbuch „Die Neuerfindung des stationären Einzelhandels“ auch als Best-Practice-Beispiel (S. 148 ff.) und Handlungsempfehlung (S. 164 ff.) hervorgehoben ist. Darüber hinaus war Heinemann bzw. das eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein bereits mit der vorgelagerten Untersuchung „mg.retail2020“, die die Wirtschaftsförderung der Stadt Mönchengladbach (WFMG) im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums durchführte, der Trigger des eBay Pilotprojekts in Mönchengladbach.
Was „rettet“ Innenstädte? Online-lokale Relevanz oder Online-Umsätze mit Kunden aus Übersee?
Dass die sog. RoPo-Effekte beim eBay-Modell gering sind, wird nicht nur im aktuellen Beitrag des WDR deutlich, wo sich Händler aus Mönchengladbach diesbezüglich kritisch äußern. Auch das Mönchengladbacher Projektmanagement selbst ließ verlauten, dass Online-Marktplätze „nur in untergeordneter Form“ geeignet seien, die „Frequenz in den Innenstädten“ zu erhöhen (Quelle: Schriftliche Stellungnahme der WFMG – Wirtschaftsförderung Mönchengladbach GmbH zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk am 13. April 2016).
Diese Erfahrung kann im Wuppertaler Modell, an dem ich selbst beteiligt war, nicht nachvollzogen werden. Auch das geht aus dem WDR-Beitrag hervor und hat sich an vielen Stellen auch statistisch gezeigt, etwa mit rund einem Drittel „Click & Collect“-Bestellungen im Pilotzeitraum und Berichten von Umsatzzuwächsen von bis zu 10 Prozent bei beteiligten Händlern, die sich nach Produktzahl sehr aktiv auf dem lokalen Online-Marktplatz bewegen. Diese Umsatzzuwächse sind aber nicht mit reinen Online-Bestellungen zu erklären, sondern durch Frequenzgewinne und Neukundengeschäft auf der Fläche, seit dem man unter dem digitalen Dachmarketing der Online City Wuppertal aktiv ist. Markus Kuhnke, Betreiber des Naschkatzenparadieses in Wuppertal-Vohwinkel, beschreibt im TV-Beitrag sehr eindrücklich, welche positiven Effekte sich bei ihm einstellten, aber auch mit welchen wichtigen Voraussetzungen dies nur möglich war: die Digitalisierung seines Produktbestandes.
eBay launcht nun das Leistungspaket „lokal & digital“ offiziell
eBay gleichwohl hat nun eine Ausweitung seiner digitalen City-Initiative angekündigt (Pressemitteilung vom 8. Juni 2017). Bis Ende des Jahres will man fünf weitere Städte für das nunmehr klar formulierte „Leistungspaket“ ‚lokal & digital‘ gewinnen (siehe „eBay City“). Außerdem wird – wie erwartet – die vom Verband der Digitalwirtschaft Bitkom und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) prämierte Gewinnerstadt des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ mit der eBay-Infrastruktur ausgestattet sein („Wer wird die deutsche Modellstadt der digitalen Transformation?“).
Ungeachtet der schwierig zu beantwortenden Frage, ob globale Online-Kunden lokale Geschäfte vor dem Aus bewahren, geriert sich eBay nach wie vor als Rettungsanker für drängende Probleme wie Innenstadtverödung und Ladensterben. Denis Burger, Senior Director Seller Growth bei eBay, dazu: „Mit der Initiative möchten wir dabei helfen, mehr lokale Händler für die Ansprüche des modernen Kunden fit zu machen, um so ihre Zukunftsfähigkeit und gleichzeitig auch die der Innenstädte als belebte Einkaufszonen zu sichern.“
Fazit: Beide Ansätze besitzen eine große Schnittmenge – auch eine negative
Es bleibt zu hoffen, dass es künftig auch eBay-Städten gelingt, neben den reinen Online-Umsatzzuwächsen ihrer Händler vor allem den Vorhof des stationären Handels, das lokale Web, zu bespielen und somit online-lokale Relevanz für die Angebote der Stadt herstellen. Auf der anderen Seite wünscht man sich schlicht und ergreifend bei Infrastrukturgebern wie atalanda, Lozuka und anderen eine Standard-Schnittstelle zum eBay-Marktplatz. So könnten Händler, die sich eine Präsenz auf eBay in sortiments-, preis- und personalpolitischer Hinsicht leisten können, ohne weiteres zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Globale Online-Kundschaft und lokale RoPo-Kunden. Denn es ist klar, dass auch die Online City Wuppertal keinen Händler davon abhält, auf eBay zu verkaufen. Nur braucht es dazu nicht zwingend einen mitunter durch öffentliche Gelder geförderten oder durch lokale Kümmerer aus Wirtschaftsförderung oder City-Management unterstützten Prozess.
Denn stationärer Einzelhandel, das ist unstrittig, kann nur zweigleisig integriert mit entsprechenden Brücken-Services wie Check & Reserve oder Click & Collect die digitale Transformation meistern. Denn am Ende wollen insbesondere die inhabergeführten Geschäfte im wahrsten Sinne des Wortes nahe am Kunden sein. Andernfalls wären sie nicht mit Leidenschaft Händler auf der Fläche, sondern könnten sich teure Innenstadtmieten sparen und ein Lager im Gewerbegebiet eröffnen.
Dass momentan bei beiden Lösungen Dienstleister, Gastronomen oder Handwerksunternehmen außen vor bleiben, ist ein Makel, das sich beide Infrastrukturgeber anheften lassen müssen. Allerdings sehe ich hier den größeren Spielraum bei den „kleinen“ Infrastrukturgebern wie atalanda, in Zukunft zielführende Lösungen für die digitale Stadt als Ganze zu entwickeln und damit lokale Online-Marken zu etablieren.
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