Mit Pokemon durch die Stadt?
Im Stadtbild sichtbar hat uns die digitale Welt in einer neuen Facette erreicht: Nicht in Form des Online-Handels, sondern vielmehr in den Auswirkungen eines Spiels, das nahezu alle Altersgruppen gleichermaßen zu faszinieren scheint. Fest umklammert halten sie Smartphones oder Tablets in ihren Händen, starren gebannt auf Straßen, Plätze und durchstreifen unscheinbare Ecken und Parks, um virtuell Bälle nach Fantasiewesen wie Pikachu, Glurak oder Turtok zu werfen.
Seit Juli 2016 gibt es Pokémon Go in Deutschland. Und in sehr kurzer Zeit hat diese App offenbar unsere Städte und ihre Bewohner vor ganz neue Aufgaben gestellt. Die Stadt Düsseldorf sah sich gezwungen eine Brücke in der Nähe der Kö zeitweise für den Autoverkehr zu sperren. In Leverkusen war ein geplantes Konzert auf Schloss Morsbroich gefährdet, weil die Parkanlage mit einem Spieleransturm bevölkert wurde. Und im beschaulichen Hückeswagen bekamen Anwohner nachts den Schreck ihres Lebens als Monsterjäger ihre Blumenbeete zertrampelten. Spielefans, Hersteller und Medienexperten verkünden gleichzeitig die Vermischung der realen mit der virtuellen Welt, feiern die Welle der Spielebegeisterung. Einige Center- oder Stadtmanager wittern gar neue Chancen zur Kundengewinnung.
Ist das wirklich die schöne neue Welt, von der unsere Städte profitieren werden?
Unbestritten, Pokémon Go holt User in unsere Städte, die ansonsten das Haus selten verlassen oder tagelang nicht an der realen Welt teilnehmen würden. Was aber zunächst nach einem gemeinsamen Vergnügen und Erlebnis klingt, ist in der Praxis mehr eine einsame Jagd. In Hamburg war ein Nutzer so sehr auf das Spielen fixiert, dass er in die Alster fiel. In Frankfurt stiegen Jugendliche in einen S-Bahn-Tunnel und brachten sich in Lebensgefahr. Wo hört der Spaß auf?
Unsere Städte ändern sich nicht innerhalb von Wochen. Es sind die Menschen, die das, was technisch möglich ist, begierig testen. Neugier liegt in der Natur des Menschen. Dennoch sind wir gefordert, wenn es um Innovationen für unsere Städte geht, Technologien im Sinne lebendiger Städte einzusetzen. „Urbanität“ ist und sollte auch in Zukunft der zentrale Maßstab des Handelns sein. Und daher haben meiner Meinung nach Pokémon-Go-Jäger auf Friedhöfen und in Kirchen nichts zu suchen.
Sofern die digitale Welt unterstützend darin wirkt, die eigentlichen Qualitäten lebenswerter Städte zu vermitteln – und damit Städte stärker als bislang – zu Orten der Kommunikation und der Begegnung macht, sind technische Neuerungen und die damit einhergehende Kreativ-Leistung herzlichen willkommen. Halten wir den Blick offen für solche Möglichkeiten. Aber lassen Sie uns nicht jede digitale Innovation als Durchbruch zu einer neuen Zeit interpretieren.
Foto: pixelio/Peter Freitag
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