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Jugendliche für die Stadt gewinnen

Es ist der Alltag in vielen Städten und Gemeinden: Es gibt das Bekenntnis zur Partizipation – keine wichtige Entscheidung soll ohne Bürgerbeteiligung erfolgen. Speziell für Jugendliche werden zudem Wege für formelle Mitsprachemöglichkeiten wie Jugendparlamente geschaffen. Bei Bürgerworkshops liegt der Altersdurchschnitt dann aber fast immer nahe dem Rentenalter. Jugendparlamenten mangelt es an Jugendlichen, die zur Mitarbeit bereit sind. 

Ernüchterung, zum Teil auch Resignation hat sich in vielfach in den Rathäusern breit gemacht. Andernorts suchen die Verantwortlichen nach Best-Practice-Beispielen bzw. erfolgt die Anfrage bei der cima nach neuen Ansätzen und Wegen. 

Aus der Praxis vieler Beteiligungsprozesse im Rahmen von Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepten, Ortsentwicklungskonzepten oder Leitbildprozessen lassen sich die nachfolgenden Erfahrungen zu den Erfolgsfaktoren der Jugendbeteiligung ableiten. 

RIED IM INNKREIS (A): STÄDTISCHER VIDEO-CONTEST
Mit dem Video-Contest ClipUp binden Stadt und Stadtmarketing Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren in die Stadtentwicklung ein. Prämiert werden die besten zehn Gruppenvideos und die besten zwei Schulklassen-Videos. Die Ergebnisse fließen in nachfolgende Prozesse ein.

Was sind wichtige Voraussetzungen, damit es überhaupt gelingt, Jugendliche für die eigene Stadt zu interessieren? 

Die Entscheidung über den Erfolg einer Zukunftswerkstatt oder ähnlichen Veranstaltungen findet vielfach lange vor dem Termin gefällt. Finden sie wie gewohnt im Rathaus statt oder geht man an Orte, die Jugendlichen vertraut sind bzw. die sie neugierig machen? Jugendzentren, der informelle Treffpunkt im Ort oder eine ungewöhnliche Location wie ein leerstehendes Kaufhaus können schnell zu 20 – 30 % mehr Teilnehmenden führen. 

Steht der Ort, gilt es sich über das Format und den Ablauf der Veranstaltung zu verständigen. Interaktivität ist Pflicht! Dabei ist ein Rückgriff auf bewährte Formate wie ein World-Café oder ein Open Space ebenso erlaubt, wie der Einsatz digitaler Elemente in Form eines Online-Votings zu prüfen ist. Wichtig sind ein schlüssiger Gesamtablauf und ein realistischer Zeitplan. Und last but not least: Auch Jugendliche haben irgendwann Hunger. Pizza, Hotdogs oder ein Burgertruck sind dabei die besseren Lösungen als Brezel und belegte Brötchen. 

Bei der Kommunikation zahlt sich Sorgfalt und frühzeitige Planung aus: Es beginnt mit der Bezeichnung der Veranstaltung und dem Stil des Einladungstextes, setzt sich mit den benutzten Kommunikationskanälen fort und endet bei einem geeigneten Kommunikationsfahrplan. Wenn Jugendliche nicht mehr zu den regelmäßigen Zeitungslesern gehören, reicht die Pressemeldung an die Lokalpresse nicht mehr aus. Facebook, Instagram und WhatsApp sind die weitaus wichtigeren Wege zur Gewinnung von Jugendlichen. Nicht zu vergessen: Die persönliche Ansprache durch Mitarbeitende des Jugendzentrums, Lehrkräfte der Schulen oder Verantwortliche in den örtlichen Vereinen. Idealerweise wirken ein oder zwei besonders engagierte Jugendliche bereits bei den Vorbereitungen mit. 

„In gewisser Weise ist es nachvollziehbar, dass die Menschen in einer bestimmten Lebensphase, in der sie dabei sind, ihr Leben gerade (neu) auszurichten, schwerer erreichbar und aktivierbar sind. Informelle Beteiligungsformate bieten da die Chance, Hürden abzubauen und Partizipation unkonventionell und beiläufig zu ermöglichen. Das können Orte mit entsprechender Atmosphäre und Formate gleichermaßen sein. Es muss gelingen, sie in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen.“
Christian Hörmann, cima

GARMISCH-PARTENKIRCHEN 2022: BETEILIGUNGSPROZESS „GAPA MITGESTALTEN 2030“: Informieren, zuhören und gemeinsam diskutieren: Mannigfaltige Dialogformate zur Bürgerbeteiligung kommen im Prozess zur Zukunft Garmisch-Partenkirchens zum Einsatz. Sie sind analog wie digital, drinnen wie draußen, an diversen Locations im Stadtgebiet. Im Dialog mit allen Altersklassen. Ein Format von vielen ist der Podcast zugspitzt – nachgefragt & zugehört. Foto: Gapa Tourismus GmbH/ Christian Stadler

Wann ist auch die beste Veranstaltung zum Scheitern verurteilt? 

Nicht nur, aber auch bei Jugendlichen kommt es Frustrationserscheinungen, wenn sie mit falschen Erwartungen an Veranstaltungen teilnehmen oder im Nachgang die Ideen und Anregungen nicht weiterverfolgt werden. Kontraproduktiv sind insbesondere Veranstaltungen, die als Bürgerworkshop angekündigt werden, in Wirklichkeit aber nur die Vorstellung eines fertigen Konzeptes darstellen. 

Jede Veranstaltung sollte daher mit einem Ausblick auf das weitere Vorgehen und eine Einladung zur weiteren Beteiligung enden. Und damit wird deutlich: Eine einzelne Jugendwerkstatt wird niemals dazu führen, dass sich Jugendliche dauerhaft für die Zukunftsentwicklung ihrer Stadt interessieren. Es bedarf eines dauerhaften Engagements der Stadt. Rückschläge sind dabei einzukalkulieren. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Offene Jugendarbeit der Stadt Lindau, gut nachzuvollziehen über die Website www.jugend-lindau.de. 

„Damit Bürgerbeteiligung nicht zu einem humorlosen, aufwendigen und zeitintensiven Prozess wird, bei dem sich am Ende die Frage stellt, was hat das jetzt alles gebracht, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit aus Konzepten Umsetzung wird. Jugendliche engagieren sich gern projektbezogen, bei praxisnahen Themen.“
Maximilian Burger, cima

Was darf man für die Zukunftsgestaltung seiner Stadt von den Ergebnissen eines Jugendworkshop erwarten? 

Wenn man in Umfragen Jugendliche fragt, was sie sich für ihre Stadt wünschen, kommen fast immer die gleichen Antworten: Ein Ort zum „chillen“ ohne Erwachsene, einen neu gestalteten Skaterpark oder die Sanierung der maroden Schultoiletten. Ist das Alles, was man aus einer Zukunftswerkstatt von den Jugendlichen erwarten darf? Die Antwort der cima lautet eindeutig „Nein“. Mit einer gut geplanten und moderierten Veranstaltung kann man sehr viel mehr über die eigene Stadt aus Sicht der Jugendlichen erfahren. Ein Beispiel: In Bitburg fand im Rahmen eines von der cima moderierten Leitbildprozesses eine Zukunftswerkstatt mit 70 Jugendlichen statt. Die Ideen für eine große militärische Konversionsfläche reichten von Vorschlägen für neue Wohnformen und Freizeiteinrichtungen bis zur Erlebbarkeit der Historie des Orts als einer der größten US-Standorte in Europa. Für einen Innenstadtplatz entwickelte die Jugendlichen das faszinierende Bild eines Ortes der Begegnung, der Inszenierung von Bitburg als Römerstadt und der Digitalisierung zugleich. 

„Es ist verblüffend und ermutigend zugleich: Kinder und Jugendliche haben häufig die gleichen Vorstellungen von zukunftsfähigen Städten wie Erwachsene. Es geht um Orte der Begegnung, lokale Identitäten, städtebauliche Qualitäten. Bei der Suche nach Urbanität spielt das Alter keine Rolle.“
Wolfgang Haensch, cima

BITBURG 2022: LEITBILD-PROZESS
Bei einem kurzweiligen und abwechslungreichen Programm im Haus der Jugend diskutierten 70 Jugendliche zwischen
14 und 23 Jahre an fünf Themeninseln das von der CIMA Beratung + Management zu erarbeitende Leitbild Bitburg 2040.

Jugend als Stadtgestalter 

Wenn die Beispiele Mut machen für Beteiligungsprozesse, so sollte nicht verschwiegen werden, dass die Aktivierung von Jugendlichen wie auch von Erwachsenen aufwändig ist und systematisch geplant werden muss.  Gerade die vielfach diskutierte Generation Z ist aber vielfach bereit und interessiert, sich in ihre Stadt einzubringen. Die Herausforderung liegt in der geeigneten Ansprache, den Plattformen, die ihnen geboten werden, und der Ernsthaftigkeit, mit dem das Thema Jugendbeteiligung angegangen wird. Die Stadt Lindau hat dazu die zentrale Botschaft formuliert „Es ist deine Stadt – Mach was draus!“ 

 

Fotos: cima, ried.com

 

Diesen Beitrag können Sie auch im cima.direkt-Magazin, Ausgabe 02 /2022, mit vielen weiteren interessanten Artikeln zum Schwerpunkt-Thema „YZ – JUGEND ALS STADTGESTALTER“ lesen. Schauen Sie doch einfach mal vorbei unter

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