Simon Schnetzer; Foto: Pio Mars
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Interview

Generation Y und Z– Generation Zukunft?!

Generationen in der Gegenwart verstehen –
Zukunft gemeinsam gestalten.  
 

Der Jugendforscher und Speaker Simon Schnetzer analysiert in seinen Studien u. a. die Generationen Y und Z in ihren Eigenschaften, Einstellungen und Erwartungen. cima.direkt sprach mit dem Experten …

cima.direkt: Herr Schnetzer, Sie sind studierter Volkswirt, nach einem Sabbatjahr in 2009 entschieden Sie sich die Studienreihe „Jugend in Deutschland“ zu initiieren. Damit sind Sie Jugendforscher geworden. Was hat Sie dazu bewogen? Was treibt Sie heute an?   

SCHNETZER: Im Laufe meines Sabbatjahrs habe ich viele Menschen getroffen, die frustriert davon waren, dass sie nur befristete Verträge bekommen und im Job noch Faxe schicken müssen, obwohl ihr Leben viel digitaler ist. Kurzum: Mich hat beschäftigt, wie Digitalisierung, Globalisierung und andere Trends die junge Generation prägen und was das für uns als Gesellschaft bedeutet. Mein Wunsch war es von Anfang an, junge Menschen zu beteiligen, um gemeinsam Zukunft zu gestalten. Zu den Trends und prägenden Veränderungen sind mit Klimakrise, Corona und Krieg einige dazugekommen. Die Motivation ist heute noch dieselbe.  

cima.direkt: Kürzlich ist die neueste Trendstudie von Ihnen und Klaus Hurrelmann veröffentlicht worden – Jugend im Dauerkrisen-Modus: Klima, Krieg und Corona. Welche Erkenntnisse hat diese hervorgebracht? Was würden Sie herausstellen?  

SCHNETZER: Wie der Titel es beschreibt: Wir befinden uns ein in einem Dauerkrisen-Modus – die Krisen überlagern sich; es kommt immer eine neue hinzu. Die Zukunft sieht nicht rosig aus. Dieses Empfinden hat starke Belastungen für junge Menschen zur Folge. Das lässt sich daran festmachen, dass die Sorge Nr. 1 vor der Klimakrise nun der Krieg in Europa ist. Jedoch ist die Sorge um das weltweite Klima noch genauso hoch wie bei der Befragung zuvor. Eindeutig spiegeln die Ergebnisse die psychische Belastung der jungen Generation wider: Zum Beispiel empfinden 45 % Stress, 27 % haben Depressionserfahrungen gemacht. Gleichzeitig verstärkt sich der Fokus auf die Work-Life-Balance und Geld. In unserer Untersuchung stellte sich u. a. heraus, dass die Jungen mit Sorge auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft blicken, jedoch davon ausgehen, dass sie persönlich ganz gut abschneiden werden. Was die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt genau ausmacht, werden wir in der nächsten Studie untersuchen.  

 

Zur Studie

Jugend im Dauerkrisen-Modus: Klima, Krieg und Corona

Trendstudie: „Jugend in Deutschland“ (Sommer 2022)

  • Die fünf Top-Themen im Sommer 2022: Psyche, Finanzen, Krieg, Arbeit und Politik
  • Ergebnisanalyse, Interpretation und Trendauswertung zu jedem Thema
  • Relevante demografische Vergleiche wie Gender, Religion, schulisch-berufliche Situation
  • Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber, Politik und Bildungseinrichtungen
  • 37 Seiten Publikation und 27 Seiten Tabellenband
  • Repräsentativität für 14- bis 29-Jährige in Deutschland
  • Ansprechende Aufbereitung der Ergebnisse mit vielen Infografiken

www.jugend-in.de

 

cima.direkt: Wie unterscheiden sich denn die Generationen Y und Z grundsätzlich voneinander? Wodurch sind ihre Lebenswelten geprägt?  

SCHNETZER: Es gibt zwei große Unterschiede. Zum einen im Kommunikationsverhalten: Generation Y ist die Generation des Übergangs vom Analogen ins Digitale. Sie hat zum Teil noch erlebt mit einem Festnetztelefon zu telefonieren, vielleicht sogar mit der Wählscheibe. Für die Generation Z war es dagegen in der prägenden Phase der Jugend normal, nicht das Handy, sondern ein Smartphone zu nutzen, nicht per E-Mail oder ICQ-Chat zu kommunizieren, sondern über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Snapchat und die ganzen Sozialen Medien. Auch sind es die Lebensphasen, in denen die beiden Generationen Besonderheiten aufweisen. Generation Y ist großenteils bereits im Hier und Jetzt angekommen. Damit meine ich: Regional verankert an einem Ort lebend, inmitten der beruflichen Karriereentwicklung mit festem Job, in einer Partnerschaft bzw. Familie eingebunden. Ohnehin hat das Thema Familie einen höheren Stellenwert. Wohingegen die Generation Z in der Lebensphase mit Schule, Ausbildung, Studium und Berufseinstieg steckt. Die Jugendlichen der Generation Z sind überwiegend Single, wohnen oft noch bei den Eltern oder gerade nicht mehr. Diese Phase ist verbunden mit dem Ausprobieren, der Abnabelung, sich nicht so festbinden wollen. Die Generation tut sich bei der Entscheidungsfindung häufig ungleich schwerer, weil die Auswahl noch viel größer geworden ist. Sie haben gelernt, Entscheidungen eher unverbindlich zu halten und im Kollektiv zu treffen, z. B. über das Online-Feedback der eigenen Community. Seit Corona ist die Bindung zum Elternhaus noch stärker geworden; ganz viele wohnen weiterhin bei den Eltern. Wohnraum ist übrigens eines der größten Zukunftsthemen, das junge Menschen als Sorge belastet. 

Die Sorgen der jungen Generation. Copyright 2022.Trendstudie „Jugend in Deutschland – Sommer 2022“ |
Die Sorgen der jungen Generation. Copyright 2022. Trendstudie „Jugend in Deutschland – Sommer 2022“ |
N = 1.021.. repäsentativ für 14- bis 29-jährige in Deutschland

 cima.direkt: Was bedeutet das für unsere Arbeits- und Lebenswelt von heute und morgen? Wie „tickt“ die Generationen Z im Besonderen?  

SCHNETZER: Die Generation Z hat in den letzten Jahren auf so Vieles verzichten müssen, was sonst zu der „besten Zeit des Lebens“ einfach dazugehört. Da sie den Glauben an eine sichere Zukunft verloren haben, steht die Work-Life-Balance ganz oben auf der Wunschliste. Das nicht Erlebte soll nachgeholt werden. Work-Life-Balance soll im Jetzt stattfinden und sich nicht über die Lebenszeit ausbalancieren. Das führt dann ganz einfach dazu, dass junge Menschen nach einer Drei- oder Viertagewoche streben. Trotzdem soll der Job lukrativ genug, sozusagen als existenzielles Muss, um das Wohlstandsniveau der Elterngeneration bei steigenden Preisen annähernd halten zu können. Die Motivlage hat sich gewandelt. Ich beobachte auch, wie viele Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle stellen müssen, um der Einstellung junger Bewerber entgegenzukommen. Zugleich wird der Raum, in dem wir leben, öffentlicher werden. An Hybrid Living führt kein Weg vorbei.  

Generationenübersicht; Copyright Simon Schnetzer

 cima.direkt: Herr Schnetzer, Ihre Vision lautet: „Lassen Sie uns junge Menschen begeistern und Zukunft gemeinsam gestalten“. Wie könnte das Ihrer Meinung nach gelingen und was braucht es dafür gegenwärtig in unserer Gesellschaft?  

SCHNETZER: Entscheidend ist, die junge Generation zu fragen, zu beteiligen, wenn es um ihre Lebensrealität und unsere gemeinsame Zukunft geht. Schmerzlich vermisst haben sie das in der Pandemiezeit, als restriktive Öffnungsstrategien für Bildungs-, Sport- und Kulturangebote vorherrschten, ohne alternative Angebote zu bieten. Schließlich geht es jedoch im Grunde darum, lebenswerte Räume zum Leben und Arbeiten für alle Generationen zu schaffen. Das Miteinander ist ein wichtiger Punkt. Meine Erfahrung zeigt mir, dass zur wirksamen Beteiligung der Jugend, Formate eingesetzt werden müssen, die jungen Menschen auf Augenhöhe begegnen. Es muss gelingen, sie mit ihren Bedürfnissen abzuholen. Dabei ist die Selbstwirksamkeitserfahrung ein wichtiger Aspekt: Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu diskutieren, schließlich Ideen zur Umsetzung vor Ort zu entwickeln und Dinge auch zu ermöglichen. Wir müssen Antworten auf die Frage finden, wie wir es schaffen, fördernde Umfelder und Perspektive zu bieten. Hier gibt es bereits viele gute Beispiele aus der Gründerszene.  

Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!  


Vita/Kontakt: 

Simon Schnetzer ist 1979 in Kempten im Allgäu geboren. Der studierte Volkswirt hat sich nach beruflichen Stationen in Berlin, Genf, London und Nairobi in seiner Heimat als Jugendforscher, Speaker und Futurist selbständig gemacht. Schnetzer zählt zu Europas führenden Jugendforschern und ist Experte für junge Generationen und Generationenmiteinander. Seit 2010 veröffentlicht er die Studie “Jugend in Deutschland”, um die Veränderung der Lebens- und Arbeitswelten zu erforschen und zu gestalten. Außerdem engagiert Schnetzer sich für die Gründerszene im Allgäu und betreibt in Kempten eine preisgekrönte Gründervilla, um Menschen mit Ideen eine Bühne und Macher*innen eine Heimat zu bieten.    

https://simon-schnetzer.com/ 

https://gruendervilla.de


Fotos: Portrait-Foto: Pio Mars; Info-Grafiken Simon Schnetzer, Trendstudie „Jugend in Deutschland – Sommer 2022″

 

Diesen Beitrag können Sie auch im cima.direkt-Magazin, Ausgabe 02 /2022, mit vielen weiteren interessanten Artikeln zum Schwerpunkt-Thema „YZ – JUGEND ALS STADTGESTALTER“ lesen. Schauen Sie doch einfach mal vorbei unter

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