Ein dringendes Bedürfnis
Für die Lebensqualität und Funktionalität einer Stadt spielt die Verfügbarkeit von öffentlichen WC-Anlagen oder im Amtsdeutsch auch Bedürfnisanstalten genannt, eine entscheidende Rolle. Dies ist nicht nur eine Frage des persönlichen Komforts, sondern eine von touristischer Attraktivität, öffentlicher Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit. In diesem Zusammenhang ist die Evaluation der öffentlichen und privat zur Verfügung gestellten Einrichtungen innerhalb einer Stadt dauerhaft bedeutsam. Die fachgerechte und systematische Überprüfung an Standorten kann ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Aufenthalts- und Besuchsqualität von Städten erbringen.
Für Aufgabenstellungen dieser Art ermittelten die Untersuchungen der cima Lübeck in der Landeshauptstadt Schwerin und der Hanse- und Universitätsstadt Rostock Bedarfe, identifizierten Standorte und gaben spezifische Handlungsempfehlungen.
„Mehr öffentliche Toiletten" rangiert als Anliegen in Städten ganz oben auf der Wunschliste. Es gibt keine Stadt, die dieses Thema nicht kennt. In der Regel bemisst sich die Kritik am stillen Örtchen an einer gefühlt mangelnden Dichte an Anlagen sowie deren Zustand. Eine grundlegende Analyse und kriterienbasierte Weiterentwicklung kann da Abhilfe schaffen!
rueffert@cima.deSchwerin: Das kleine Bedürfnis
Im Jahr 2021 war die cima aufgerufen ein Toilettenkonzept für vier Stadtbereiche der knapp 100.000 Einwohner zählenden Stadt zu erstellen. Dieses zeichnete sich durch eine einfache Struktur und geringen Implementierungsaufwand aus. Der Untersuchungsschwerpunkt lag zunächst auf der Bedarfsanalyse. Zum Einsatz kam ein Vergleich mit anderen Kommunen sowie die Identifizierung der bedarfsgenerierenden Räume mit einer qualitativen Bewertung durch die cima. Die sich anschließende Bestandsaufnahme lieferte Informationen über die Ausstattung und den Zustand der vorhandenen öffentlichen Toiletten. Dann wurden notwendige Standards für die Anlagen sowie Anforderungen und Bedarfe in den einzelnen Stadtgebieten definiert. Im Abgleich mit dem Ist-Zustand beinhaltet das finale Soll-Konzept Empfehlungen zur Sanierung bestehender Anlagen sowie konkrete Vorschläge zum Neubau oder Wegfall. Darauf aufbauend führte die Stadt intensive Abstimmungen mit zuständigen Ämtern.
Im Ergebnis wird der Schwerpunkt zunächst auf Instandsetzung beziehungsweise Ersatzbauten für bestehende Anlagen gelegt. Aber auch neue Standorte zur Lückenschließung sind im Konzept enthalten. Die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen aus dem Standortkonzept sowie die Bewirtschaftung der öffentlichen Toiletten wird von dem Zentralen Gebäudemanagement (ZGM) der Stadt übernommen.
schwerin.de/news/toilettenkonzept/
Rostock: Das große Bedürfnis
Die Erstellung einer Toilettenkonzeption für die über 208.000 Einwohner zählende Stadt Rostock im Jahr 2023 begann mit einer umfangreichen Erfassung der öffentlichen und privaten, frei zugänglichen Toilettenanlagen im gesamten Stadtgebiet. Anschließend wurden 67 Standorte mit Vor-Ort-Erhebungen nach einem Kriterienkatalog begutachtet.
Im Ergebnis waren viele der Anlagen in einem guten Zustand. Bei einigen, v. a. entgeltfreien, abgelegenen Anlagen, waren Defizite festzustellen: Das Bedürfnis jeglicher Art wurde vor dem Erreichen der Toilette befriedigt; der hygienische Zustand war mangelhaft. Einige Anlagen waren sanierungsbedürftig oder nicht barrierefrei. Für diese Anlagen wurden Handlungsbedarfe abgeleitet und für alle geeigneten WC-Anlagen erfolgte eine Analyse hinsichtlich ihrer Abdeckung im gesamten Stadtgebiet unter Berücksichtigung von Erreichbarkeit und Barrierefreiheit.
Standortempfehlungen – um tatsächliche Bedarfe zu ermitteln, wurden Schwerpunktbereiche von Frequenzbringern (u. a. touristische Anziehungspunkte) und bedeutende verkehrliche Umsteigepunkte identifiziert.
Darauf basierend diente eine räumliche Clusteranalyse dazu, Standorte vorhandener Sanitäranlagen sowie potenzielle neue Standorte zu ermitteln und hinsichtlich ihrer Notwendigkeit zu bewerten. Einige der Vorschläge deckten sich mit bereits geplanten Standorten der Stadt. Die Ausarbeitung von Modellvarianten im Zusammenspiel mit zu investierenden Kosten diente schließlich zur Abwägung ihrer Eignung für bestimmte Standorte. Neben dauerhaften Lösungen wurden ebenso nicht öffentliche Toiletten-Modelle wie auch Möglichkeiten für mobile Anlagen diskutiert, insbesondere im Zusammenhang mit Großveranstaltungen (u. a. Spiele des Fußballclub Hansa Rostock e. V.).
Das Konzept befindet sich derzeit in der politischen Beratung. Während die Verwaltung sehr zufrieden mit dem handhabbaren Kriterienkatalog ist, werden naturgemäß weitere Bedarfe in Ortsteilen und Standorten laut. Aufgrund deutlich gestiegener Kosten und unterversorgten Standorten mit einer höheren Frequenzerwartung, kann jedoch nicht an jeder Stelle sofort eine Lösung geschaffen werden. Diese zusätzlichen Bedarfe wurden vorerst zurückgestellt und werden vor Ort in der laufenden Begleitung des Konzeptes kontinuierlich überprüft.
Dieser Beitrag erschien im cima.direkt Magazin 1/2024 mit dem Titel: Großansiedlungen im Fokus.
Mit dieser Ausgabe richten wir den inhaltlichen Fokus auf die Wirtschaftsförderung und zeigen, wie Regionen ihre Chancen nutzen, um Zukunft zu gestalten. Wir betrachten die industrielle Großansiedlung des schwedischen Unternehmens Northvolt an der Westküste Schleswig-Holsteins und lassen Gutachter und Protagonisten zu Wort kommen. Freuen Sie sich auf weitere Themen, Perspektiven sowie Impulse aus der Praxis!
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