Bamberg; Foto von Julian Hochgesang auf Unsplash
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Interview

Bamberg: Tut das Stadtmarketing zu wenig für die Händler?

Als Experte gab cima-Geschäftsführer Roland Wölfel dem Digitalredakteur Christian Pack (Fränkischer Tag) Antworten auf seine Fragen. Der Artikel erschien erstmals am 21. Juni 2024 bei www.fraenkischertag.de

Die Stadtmarketing-Events sind in Bamberg umstritten, zuletzt hat das Genussfest „Festa Italica“ heftige Debatten ausgelöst. Ein Experte für Stadtentwicklung schätzt die Situation ein – und sagt, was Bamberg den Kunden bieten muss.

„Dolce Vita“ mit einigen Misstönen: Das italienische Genussfest „Festa Italia“ mit auswärtigen Händlern hatte Anfang Juni eine Grundsatzdebatte über den Nutzen des Stadtmarketings ausgelöst. Wieder mal. Bei der Diskussion um das italienische Fest gingen die Meinungen weit auseinander, in den sozialen Medien überboten sich Fürsprecher und Gegner mit Vorwürfen. Teilweise wurde es sogar persönlich.

Was sagt ein neutraler Experte zu der Situation in Bamberg? Beleben die Stadtmarketing-Events die Innenstadt oder schaden sie den Händlern? Und was sollte die Bamberger Innenstadt in Zukunft bieten? Der studierte Wirtschaftsgeograf Roland Wölfel gilt als ausgewiesener Fachmann, wenn es um das Thema Innenstadtentwicklung geht. Mit dem Fränkischen Tag hat Wölfel über die Situation in Bamberg gesprochen.


Herr Wölfel, das „Festa Italica“ hat in Bamberg eine Debatte befeuert, ob das Stadtmarketing auf die richtigen Events setzt und die Händler ausreichend beteiligt. Ist diese Kritik gerechtfertigt?

Das hängt natürlich von der Perspektive ab. Da das Stadtmarketing vor allem von den Händlern getragen wird, sollte man davon ausgehen, dass diese auch davon profitieren. Generell ist es aber auch wichtig, zusätzliche Besuchsanlässe in den Innenstädten zu schaffen, da der Handel nach den Ergebnissen unserer Deutschlandstudie Innenstadt in den letzten Jahren bundesweit in seiner Anziehungskraft als alleiniger Frequenzbringer an Bedeutung verloren hat. Wir müssen also durchaus diese Besuchsanlässe schaffen, um die Frequenz zu halten sowie Innenstadt und den Handel zu stützen.

Sollten die Händler bei der Planung der unterschiedlichen Events per se eingebunden werden?

Da das Stadtmarketing als Verein organisiert ist, ist die Beteiligungsmöglichkeit durch eine Mitgliedschaft gegeben. Man muss also generell genau prüfen, von wem die Kritik kommt. Beteiligung ist wichtig, denn das Stadtmarketing in Bamberg ist ja gegründet worden, um vor allem dem innerstädtischen Handel zu helfen. Dies passiert durch Kundenbindungssysteme, also Events, die Frequenz generieren und Kunden in die Stadt locken. Hier hat sich das Stadtmarketing in Bamberg über viele Jahre auch bundesweit einen guten Ruf erworben. Sollten Nichtmitglieder Kritik üben, wäre es sicherlich eine Maßnahme, dem Verein beizutreten und selbst mitzugestalten.

Gibt es Beispiele aus anderen Städten, wo dies vorbildlich funktioniert?

Esslingen am Neckar mit dem ESTIVAL, Esslingen Funket oder dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt sind sicher gute Formate und Beispiele, wie Städte mit qualitätvollen Events – große und kleine – die Stadt beleben. Auch in Erlangen sind die Veranstaltungen eine wichtige Säule der Innenstadtbelebung.

Neben der Kritik an den Events wird in Bamberg auch die mangelnde Vielfalt bei den Einkaufsmöglichkeiten bemängelt. Ist das nachvollziehbar?

Dies ist in der Regel immer eine Folge von Nachfrage, Flächenstruktur und Miethöhe. Wenn es von den Kunden nicht nachgefragt würde, könnten bestimmte Anbieter nicht existieren. Dennoch ist es wichtig, Inhaber dazu zu bewegen, an Betriebe zu vermieten, die den Branchenmix abrunden. Zudem ist es wichtig, die Optik und Gestaltung auf ein vernünftiges Niveau zu heben, damit sie das historische Stadtbild nicht konterkarieren. Andererseits kann die Spezialisierung in bestimmten Branchen auch zu einer Verbesserung der Kaufkraftbindung und Vergrößerung des Einzugsgebietes führen.

Was sollte eine funktionierende Innenstadt noch bieten?

Innenstädte müssen immer als Gesamtdestination betrachtet werden. Die Zahlen belegen: Zwar stehen die Einkaufsmöglichkeiten bei der Bewertung der Attraktivitätsfaktoren noch immer an der Spitze, dennoch sinkt deren Bedeutung. Dass eine attraktive Innenstadt sich durch Einkaufsmöglichkeiten auszeichnet, geben insbesondere unter 30-Jährige immer seltener an. Stattdessen gewinnen die Faktoren Stadtgrün, Gastronomie, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität. Fragt man direkt bei den Menschen nach, so wünschen sie sich einen größeren Mix an Angeboten, über Gesundheitsdienstleistungen bis zu Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus besteht der große Wunsch nach Zonen zum Ausruhen und Verweilen.

Man soll sich also in der Innenstadt überall wohlfühlen?

Durchaus. Größere Bedeutung gewinnen Aspekte, wie das öffentliche Grün, gastronomische Angebote sowie die Sauberkeit und Aufenthaltsqualität in den Innenbereichen. Damit gibt es ein Zurück in die Stadt: Die städtebauliche Qualität unserer Zentren ist ein Schlüsselfaktor. Hier liegt großes Potenzial für die Innenstadt, dass nur gemeinsam gehoben werden kann. Der Einzelhandel muss seine Konzepte modernisieren, die Eigentümer ihre Bewirtschaftungsstrategien überdenken. Und die Kommunen sind dabei in der besonderen Verantwortung. Sie müssen Innenstadtstrategien gemeinsam mit den handelnden Akteuren entwickeln.

Haben Innenstädte der Größenordnung Bamberg mittelfristig überhaupt eine Chance, ein Publikumsmagnet zu bleiben? 

Innenstädte wie Bamberg haben das in jedem Falle, müssen aber zunehmend einen guten Erlebniswert bieten. Den Preiskampf wird der stationäre Handel gegenüber dem Internet nicht gewinnen können. Neben dem Handel müssen weitere Besuchsanlässe geschaffen werden: Die Innenstadt kann und muss künftig mehr bieten. Der perfekte Nutzungsmix aus Handel, Gastronomie und weiteren Nutzungen ist entscheidend für einen Besuch im Zentrum.

Gibt es in Bamberg eine weitere Hausaufgabe?

Eine besondere Herausforderung für Bamberg ist die zukünftige Nutzung und Aufteilung des öffentlichen Raumes zwischen Parken, Verkehr, Fußgänger und Radverkehr. Aufenthaltsqualität braucht Flächen, die aber dennoch erreichbar sein müssen. Hier zeigen uns holländische Städte wie Maastricht, was möglich ist.

Als Experte gab cima-Geschäftsführer Roland Wölfel dem Digitalredakteur Christian Pack (Fränkischer Tag) Antworten auf seine Fragen. Der Artikel erschien erstmals am 21. Juni 2024 bei www.fraenkischertag.de

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Autor*in

Roland Wölfel

cima // Geschäftsführer, Partner

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